Ein Besuch in Labastide-d’Armagnac ist wie eine Reise in die Vergangenheit, hier scheint die Zeit stillzustehen. Würden hier keine Autos fahren, könnte man annehmen, dass man sich im Mittelalter befindet. Die kleine Dorfanlage im rechtwinklig angelegtem Straßenraster birgt einen zentralen Marktplatz, der von urigen Häuser und Arkadengängen und mittelalterlichem Charme umgeben ist.
Die mit nur etwa 700 Einwohnern bewohnte französische Gemeinde liegt im Südwesten Frankreichs. Genau genommen liegt sie in der Region Nouvelle Aquitaine, im Herzen der historischen Provinz Gascogne im Dèpartement Les Landes. Sie ist etwa 130 Kilometer südlich von Bordeaux, der Hauptstadt Neu-Aquitaniens entfernt.
Regionale Spezialitäten der Spitzenklasse
Weinbrandkenner werden beim Namen Armagnac hellhörig werden, denn dieses auf Weißwein basierende, cognacähnliche Getränk stammt aus dieser Region. Auch wenn man es auf den ersten Blick nicht vermuten würde, so profitiert man in Labastide-d’Armagnac mittlerweile auch vom Vertriebsweg Internet. Wo man diese Köstlichkeiten früher nur über den Vor-Ort-Besuch in der Weinkellerei, dem lokalen Feinkostladen oder mit etwas Glück in einem gut sortiertem Supermarkt mit Spezialitätenabteilung beziehen konnte, kann man den Weinbrand heutzutage auch direkt aus Labastide-d’Armagnac oder anderen Anbaugebieten der Gascogne nach Hause liefern lassen.
Die Brennerei Ferme de Labouc vertreibt den regional hergestellten Armagnac neben dem am Place Royale gelegenen Verkaufsladen zusätzlich über den eigenen Webshop. Auch den als Aperitif genutzten Likörwein Floc de Gascogne, die süßlichere Variante des Armagnacs, kann man dort oder über andere Spezialitäten-Shops mittlerweile online erwerben. Da meine Schwiegereltern regelmäßig in dieser Region verkehren, darf ich mich glücklich schätzen, Armagnac und Floc de Gascogne über die traditionelle Weise beziehen zu können, nämlich abgefüllt aus dem Fass.
Einer der exklusiveren Armagnac Destillerien mit dem Namen Domaine De Boingneres stammt auch von hier. Der produzierende Familienbetrieb Lafitte ist unter Kennern ein wohlbekannter Name. So manche Jahrgangsflasche Bas Armagnac der Qualität Cépages Nobles geht auch schon mal für 600 EUR an den zahlungswilligen Feinschmecker. Nicht wenige renommierte Restaurants der gehobenen Klasse führen Weinbrände dieser Brennerei auf der Speisekarte.
Mittelalterlicher Charme am Place Royale
Ein Merkmal einer traditionellen Bastide ist der zentral gelegene Marktplatz. In Labastide-d’Armagnac ist dies der Place Royale, den die Anwohner wegen der unmittelbar am Marktplatz stehenden Kirche auch Place Notre-Dame nennen. Dieses massive Gebäude wurde als Monument historique eingestuft und steht damit unter Denkmalschutz. Im 16. Jahrhundert residierte sogar der aus dem 100 km entfernten Pau stammende französische König Heinrich VI in der kleinen Stadt, den sie auch unser guter König Heinrich (lo nòstre bon rei Enric) nannten.
Zahlreiche zweigeschossige Häuser umgeben den Marktplatz. Im Bereich des Erdgeschosses sind die Häuser durch Arkaden und Holzständerkonstruktionen geöffnet. Dort trifft man neben einer Postfiliale auf ein kleines Hotel, sowie auf kleine Cafés und Restaurants. Auf dem Place Royal selbst werden neben den Wochenmärkten auch regelmäßig Feste gefeiert. Zum Beispiel wird beim jährlichen Armagnac en fête die Tradition der Armagnac Destillation gefeiert. Die gut besuchten Flomärkte locken Anwohner und Touristen aus den nahegelegenen Gebieten an. Touristenüberflutet ist diese Region übrigens nicht, umso mehr lädt sie zum Entspannen und Entdecken ein.
Eine Augenweide für Dekoliebhaber
Wer sich auch nur ein klein wenig für Architektur oder Dekoration interessiert, dem werden die unzähligen Details auffallen, welche den Charme dieser Gegend ausmachen. Sprossenfenster mit Klappläden, mit Pflastersteinen überzogene Wege, verwittertes Holz, Fachwerkhäuser, Antike Möbel und Türen. Da meine Frau und ich in diesem Zusammenhang gerade auf der Suche nach einer schönen und representativen Haustür sind, haben wir so einige Schätze auf Foto festgehalten. Wir haben allerdings wenig Hoffnung, dass wir in Deutschland eine adäquate Haustür erwerben können. Mitunter hat unser Eingangsbereich ein Sondermaß. Darüber hinaus sind antiken Türen auch oftmals weit entfernt von den Themen Energieeffizienz und Einbruchsicherheit. Aber schön anzusehen sind sie allemal. Und träumen darf man ja.
Der Landsitz Chateau du Prada
Etwa hundert Meter vom Marktplatz entfernt, stößt man auf ein schlossähnliches Gebäude mit Klappfenstern und großem Eingangstor. Es stammt von dem aus Paris stammenden Architekten Victor Louis, der auch das eindrucksvolle Grand Théâtre de Bordeaux entworfen hat. Der Entwurf dieses pompösen Gebäudes hat ihm einen Platz in der Hall of Fame der Architekturgeschichte Frankreichs beschert. Bei dem in Labastide stehenden Bauwerk handelt es sich jedoch um einen Landsitz, der auch wie die Kirche Notre Dame als denkmalgeschützt deklariert wurde. Man kann dort übernächtigen und im Rahmen einer Führung die Schätze aus dem Gebäude, dem anliegenden Park sowie dem hauseigenen Weinberg entdecken. Die Führung endet im Keller, wo eine Armagnac Verköstigung den Tag abrundet.
Labastide-d’Armagnac – der Familiencheck
Für kleine Kinder kann Labastide-d’Armagnac nicht viel bieten. Der Altersdurchschnitt der Einwohner dürfte oberhalb des Landesdurchschnitts liegen. Infolgedessen sind Spielplätze meines Wissens nach nicht vorhanden. Kleinkinder können beim Erkunden durch die Seitenstraßen im Kinderwagen verweilen. Anschließend kann man sich am Marktplatz niederlassen, um Hunger und Durst zu stillen oder um ein Eis in gemütlicher Atmosphäre zu genießen. Da der Ort eine sehr überschaubare Größe hat, muss man nicht von einem Tagesausflug ausgehen. Folglich kann man den Ort trotz fehlender kindgerechter Aktivitäten gut mit dem Nachwuchs besuchen.